Grüne Wüste

Süddeutsche Zeitung 29.03.2002

„Anno Sauls Regiedebüt vermittelt ein wohltuendes Bild von Jugendlichen. Es gelingt ihm, die Schnittstelle zwischen Kindheit und Erwachsenwerden glaubhaft zu inszenieren, wobei er mit den beiden Hauptdarstellern zwei Jungschauspieler vor der Kamera hat, die ihr Handwerk bereits beeindruckend souverän verstehen …“

Frankfurter Rundschau 23.12.2002

„Viel Unordnung und viel frühes Leid gibt es in dem Film des Regisseurs Anno Saul. Und doch werden die tragischen Entwicklungen eher unterspielt. Darin hebt sich ‚Grüne Wüste' wohltuend ab von Filmen, deren Regisseure die larmoyanten Aspekte einer Geschichte aufbauschen, bis sich Trübsal in Schwulst verwandelt …“

Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.01.2001

„Seelenfarben – Im Niemandsland der Pubertät: Anno Sauls Film ‚Grüne Wüste‘

Von Hans-Dieter Seidel

Was für ein tückisches Alter. Mit Puppen spielen mag Katja, vierzehn Jahre alt und sich selbst mehr als einmal ein Rätsel, nicht länger, doch die Gefühle, mit denen sie ihren Freund Johann umspinnt, sind noch vollkommen kindlich. Wie gut, dass es für die beiden im Niemandsland der Pubertät den weißen Ritter gibt, von dem die Sage weiß, dass er beim Versuch, seine entführte Frau zu retten, den Tod gefunden habe. Wenn sie im Bergwald und in der Bergruine, die für die Kinder Geborgenheit bedeuten und nicht den Schrecken des Ausgesetzten, nach Spuren des Ritters graben, dann haben Katja und Johann sich einen Fluchtort erobert, auf den ihre desolaten familiären Lebensumstände keinen Schatten mehr werfen können.
Die Phantasie als Hort. Sie lebten in einer grünen Wüste, wird Katja eines Tages ihrem Freund schreiben: ‚Wenn man genau hinschaut, dann sieht man, wie sich der Wald aufs Dorf bewegt – wie riesige grüne Sanddünen. Eines Tages wird die grüne Wüste das Dorf verschlingen.‘ Die Vision kommt nicht von ungefähr: Johann fühlt sich von der Fürsorge seines alleinerziehenden Vaters (Heino Ferch), der obendrein ein Verhältnis mit Katjas Mutter hat, mehr bedrängt, als dem aufgeweckten, aber für sein Alter bemerkenswert ernsten Jungen gut tut. Und Katja ist die Antriebsschwäche ihres Vaters (Ulrich Noethen) gleichermaßen ein Graus, wie es die Ausreisversuche der Mutter vor Ehe und Erziehungspflichten sind, welche die noch relativ junge Frau (Martina Gedeck) rüde-ichbezogen und verhärtet haben lassen.
So prächtig freilich Katja und Johann sich in der Märchenwelt ihrer Phantasie aufgehoben fühlen dürften, so schmerzlich reißt die unausweichlich tödliche Leukämieerkrankung Johanns das Märchen auf, mit verheerenden Folgen auch für das gänzlich unvorbereitete und elend alleingelassene Mädchen, das kaum mehr zu unterscheiden vermag, wovon es mehr gepeinigt wird: von den Abwehreflexen des mit seinen Los hadernden Johann, der sich am liebsten in sich selbst verkröche, oder von der zornigen Mutter und der Gottergebenheit ihres Vaters.
Das Ablösen von der Kindheit, eines der klassischen Motive des Kinos, wird im Film ‚Grüne Wüste‘ konsequent aus dem Blickwinkel der Kinder betrachtet, auch dann, wenn es um die seltsam unsteten, fahrigen Emotionen der Erwachsenen geht. Dem Regisseur Anno Saul, der zuvor ausschließlich fürs Fernsehen gearbeitet hat, und seiner Drehbuchautorin Swenja Karsten gelingt mit ihrer ‚Geschichte vom Erwachsenwerden, vom Sommer und vom Herbst, von der Angst, das zu verlieren, das man liebt‘ ein ebenso poetisch wie phänomenologisch zwingender Balanceakt zwischen Pubertätsstudie und Schweifenlassen der Phantasie.
Doch so sorgsam schattiert die Kamera von Gero Steffens die im Verlauf der Jahreszeit wechselnde Farbgebung der Natur wie die Färbungen und Eintrübungen der Seele einfängt – anschaulich und gleichsam lehrreich wird der Film in erster Line durch das außerordentliche Spiel seiner Jungen Hauptdarsteller. Tatjana Trieb, bei Caroline Link das Mädchen Lara im ersten Teil von ‚Jenseits der Stille‘, legt nun, ein paar Jahresringe mehr im Gesicht, ein verschlossenes Menschenkind an den Tag, das an sich selbst, an seinem Vertrauen an Freundschaft und elterliche Liebe so irre zu werden droht, dass der Zuschauer um Katja nachgerade zu bangen beginnt. Und Robert Gwisdek, der von seiner Mutter Corinna Harfouch die Ausdrucksstärke wie aus dem Stand geerbt zu haben scheint, hält als zum Sterben verurteilter Johann für das erschütternde Gefühlskreiseln zwischen Hoffen und Verzweifeln, Aufbegehren und Resignation eine mehr als staunenswerte professionelle Skala parat.
Ob die Abkehr von den üblichen Elendsnestern der Großstadt hin zum keineswegs weniger unbehausten, jeder Idylle fernen Ländlichen, ob das Spiel mit Ritterromantik und mythenbeschwertem deutschen Wald es diesem seiner Sache so sicheren und vergleichsweise prominent besetzten Film verwehrt hat, alsbald ins Kino zu kommen? Vor gut anderthalb Jahren war ‚Grüne Wüste‘ beim Filmfest München vorgestellt worden (F.A.Z. vom 7 Juli 1999), jetzt erst, wenn Tatjana Trieb der Rolle ihrer Katja längst erwachsen ist, hat es der Film ins reguläre Programm geschafft – aber auch nur in ausgewählten Kinos.“

Frankfurter Rundschau 27.01.2001

„Liebe und Leukämie – Die Reste der Kindheit: Anno Sauls bemerkenswerter Film ‚Grüne Wüste‘

Von Daniel Kothenschulte

Was passiert, wenn das deutsche Kino plötzlich den Teenagerfilm für sich entdeckt und mit erstaunlichen Ergebnissen aufwartet? Wenn dem in diesem Metier immer schematischeren Hollywoodangebot eine ungekannte Milieutreue und Einfühlsamkeit entgegengesetzt wird? Noch dazu vorzüglich besetzt und fern von szenischen Äußerlichkeiten? Nun, es wird ein verdienter Kassenerfolg daraus wie Crazy, professionell verliehen von einem amerikanischen Verleih. Oder es wird eine Privatangelegenheit daraus für wenige Eingeweihte wie Grüne Wüste, diese Woche ins Kino gebracht vom hoffnungslos überforderten Kleinverleih ‚Lichtmeer‘. Es ist ein Trauerspiel. Der einzige Ort, an dem die melodramatische Liebesgeschichte zwischen einer 14-jährigen und ihrem ein Jahr älteren leukämiekranken Freund ihr Publikum fände, wären die Multiplexe. Stattdessen sieht man das zurecht mit allerhand Vorschusslorbeeren bedachte Kleinod in einer Stadt wie Köln im kleinsten Saal, den die Ufa-Kette unter dem ‚art-house‘-Label anzubieten hat und in einem studentischen Vorortkino. Die Kunstkino-Etikettierung mag ehrenvoll gemeint sein – für das Marketing ist sie fatal.
Das manchmal nur einen Sommer währende Vakuum zwischen Kindheit und Erwachsenensein ist das Territorium der Coming-of-Age-Geschichten. Doch umwälzende Entwicklungen halten sich nicht an Jahreszeiten, und es gehört zu den Besonderheiten dieses Films, dass er sein flüchtiges Metier mit ungewöhnlich vielen Koordinaten zu bestimmen weiß. Die Abenteuerspiele der Klassenkameraden Katja und Johann könnten ihnen selbst als infantil erscheinen, aber so ist das eben in diesem Alter, in dem die Brüder Löwenherz und Ronja Räubertochter zu den liebsten Büchern zählen: Noch lange bevor die studentische Nostalgie wieder nach der Maus und dem Elefanten rufen wird, können die Reste der Kindheit ein lebenswichtiger Schutzraum sein und der Ort der letzten Abenteuer, die man überhaupt noch als solche erlebt.
So geht es der verspielten Katja, doch so, wie Tatjana Trieb, als Kind einmal der eigentlich Star in Jenseits der Stille, sie verkörpert, wirkt sie reifer als alle um sie herum. Eingeschlossen die Erwachsenen: ihr Vater (Ulrich Noethen) erscheint ihr als Waschlappen angesichts der Affäre, die sich ihre orientierungslose Mutter (Martina Gedeck) leistet.
Die gilt ausgerechnet dem versoffenen Vater (Heino Ferch) ihres Spielgefährten Johann. Johann (Robert Gwisdek) ist der Gefährte ihrer kindlichen Ritterspiele und Schatzsuchen in einer alten Burg. Ein harmlos anmutendes Nasenbluten erweist sich als Vorbote einer Tragödie, deren rasanter Verlauf Katja schneller altern lässt, als es selbst ein Coming-of-Age-Drama vorsieht. Johann hat Leukämie. Schonungslos zeichnet Anno Sauls schlichter, sich jeder kunst- oder gefühlsseligen Überhöhung enthaltener Film das Bild der damit einhergehenden Isolation. Selten hat man ein so trostloses Krankenzimmer im Kino gesehen. Ausnahmslos hilflos reagieren die Erwachsenen. Sein Vater macht ihn zum Zeugen seiner unbeholfenen Affäre, seine Klassenlehrerin sperrt ihn während der Pausen weg. Und die Liebe zur mutig-empfindsamen Tatjana erscheint ihm als qualvoller Beweis eines Lebens, das ihm geraubt werden soll.
Ein Film über den Tod ist gut beraten, ganz auf die Lebendigkeit seiner Protagonisten zu setzen. Tatjana Trieb dominiert jede Szene; das ist durchaus gerechtfertigt, denn dies ist, wie gesagt, ein Erwachsenenfilm. Von deren Welt, der heranwachsenden Tatjana steht sie noch bevor, macht uns Sauls Film keine Illusionen; dort findet die wahre Pubertät erst noch statt: Auch wenn Martina Gedecks Mutterrolle in ihrer Orientierungslosigkeit durchaus nachvollziehbar ist, geht Saul im einzigen exponierenden Regieeinfall doch arg mit ihr ins Gericht: Parallel zu den ersten Küssen der Teenager schneidet er den verschwitzten Küchensex des unreifen erwachsenen Paars, hier die Unschuld, da die Unbeholfenheit. Doch so unverkennbar pessimistisch Anno Sauls Blick auf die provinzielle Tristesse ist, so angenehm selten sind solch moralische Stellungnahmen. Von imponierender Schlichtheit, aber auch frei von exponierender Kühle sind Gero Steffens Kamerabilder. All diese Beschränkung dient einer so kühnen, entromanisierten und unverklärten Sicht auf den Tod, wie er – wo immer man diesen Film auch verorten will – selten ist es im Kino: dem der Teenager und dem der Erwachsenen sowieso.“

Süddeutsche Zeitung 25.01.2001

„Ritters Reste – Helden in Kinderland: ‚Grüne Wüste‘ von Anno Saul

Wenn man 14 ist, fallen manche Urteile leicht. Da weiß man genau wer die Guten sind und wer die Bösen, wer ein Schwächling ist und wer ein Kämpfer. Und dass, wer wirklich kämpft, auch gewinnen wird – ganz selten nur stirbt einer den Heldentod.
Vielleicht hat Regisseur Anno Saul die Perspektive der 14-jährigen Katja eingenommen: Am Anfang jedenfalls sieht ihre Mutter Doris (Martina Gedeck) fast schon übertrieben unsensibel aus. Doris betrügt ihren Mann und ist zu Katja fürchterlich ungerecht. Und Katjas Vater (Ulrich Noethen) ist ein Schlappschwanz – der Tochter ist das sonnenklar. Dass Mama und Papa für ihr Verhalten Gründe haben, wird Katja (Tatjana Trieb) erst viel später verstehen. Da darf Martina Gedeck dann auch ihrer Figur mehr Facetten geben.
‚Grüne Wüste‘ ist ein Schauspielfilm, wie man so sagt, und wieder einmal ein Beweis, dass das Beste am deutschen Film seine Darsteller sind. Martina Gedeck, Ulrich Noethen und auch Heino Ferch als sein Rivale Simon lassen spüren, dass jede dieser Personen eine Geschichte hat, die es wert wäre ausführlicher erzählt zu werden. Anno Saul aber hat sich auf die Kinder konzentriert und lässt die Geschichten der Eltern nur anklingen. Wie in einem Resonanzraum, in dem die Kompliziertheit der Welt schon mal an die Ohren der Kinder schwingt.
Katja will davon nichts hören. Mit ihren Freund Johann (Robert Gwisdek) hat sie sich eine Gegenwelt aufgebaut, eine kindliche Idylle, die Kameramann Gero Steffen in leuchtenden Farben fotografiert. Auf einer Burgruine im Wald vor dem Dorf graben Katja und Johann die Reste eines Ritters aus, der – so geht die Sage – heldenhaft um seine Frau gekämpft und den Tod gefunden hat. Die romantischen Motive sind unübersehbar, und sie passen zur Geschichte. Bei Johann wird Leukämie festgestellt. Auch der Tod ist eine andere Welt, jenseits der unseren.
Erwachsenwerden heißt, die Welt so zu sehen, wie sie ist; Katja macht da sozusagen einen Schnellkurs durch. Da ist plötzlich gar nicht mehr klar, wer die Guten sind und wer die Bösen. Und nicht jeder Kampf endet mit Sieg oder Heldentod. Tatjana Trieb, die als Lara in ‚Jenseits der Stille‘ bekannt wurde, meistert diese schwierige Rolle ganz wunderbar. Und Robert Gwisdek als ihr krebskranker Feund Johann kann da durchaus mithalten. Ein bisschen altklug wirkt er, aber das passt gut zu diesem Jungen, der ebenfalls viel zu schnell erwachsen wird. Die Szenen zwischen den beiden – er blass und verschwindend, sie eine kraftstrotzende junge Frau – gehören zu den schönsten Szenen des Films.
Anno Saul gelingt es fast immer, ohne falsche Sentimentalität zu erzählen. Vor großen Gefühlen aber hat er keine Angst. Und vor allem das zeichnet diesen eher leisen, unspektakulären Film aus, dass er sich ernsthaft mit ein paar ganz großen Themen zu beschäftigen traut.“

Abendzeitung 25.01.2001

„Mit ‚Grüne Wüste‘ legt Regisseur Anno Saul ein Kinodebüt von tiefer Wahrhaftigkeit hin. Er hat keine Scheu vor großen Gefühlen, gleitet niemals ab und ist ein feiner Menschenbeobachter. Zu Recht vertraut er der elementaren Geschichte vom Erwachsenwerden, von Liebe und Tod – und seinen wunderbaren Schauspielern …“

Münchner Merkur 25.01.2001

Von Zoran Gojic

„Schier umwerfend ist Martina Gedeck als überforderte Mutter … In einer Affäre sucht sie Vergessen. Sentimantalität kommt dabei erst garnicht auf … Saul hat vor allem aus seinen beiden jungen Hauptdarstellern Erstaunliches herausgeholt … Ein sehenswertes kleines Meisterwerk, das auf Gefühl setzt – und damit gewinnt.“

tz Müchen 25.01.2001

Von Rainer-R. Seipel

„Frei von Klischees und Pathos überzeugt in diesem so menschlichen Drama neben den darstellerischen Leistungen – gerade auch der jungen Schauspieler – die ansteckende positive Sicht auf das Unabwendbare: Nichts kann so schlimm sein, als dass man ihm nicht begegnen könnte.“

TV Spielfilm 23.12.2002

„Mit seinem eigenwilligen Familiendrama gelang Anno Saul (‚Die Novizin‘) ein ergreifendes Kinodebüt … Verträumt und dabei realistisch – eine Perle!“

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Die Novizin

Süddeutsche Zeitung 10.12.2002

„Regisseur Anno Saul gelang mit ‚Die Novizin‘ (2002) ein bewegender Film um Selbstfindung, Sinnsuche und Spiritualität in der heutigen schnelllebigen Zeit.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.12.2002

Von Tillmann Spreckelsen

„Da ist die Schauspielerin Kathrin Kühnel, die Monas Schwanken, ihre Bereitschaft, sich auf das Kloster einzulassen, aber auch ihren Zorn über manche Mitschwestern mit Selbstverständlichkeit und Grazie spielt, so daß diese ambivalente und wechselhafte Rolle durchaus glaubwürdig scheint; da ist vor allem Nathalie Wiedemanns Kamera glänzend unterstüzt durch den von Tobias Haas verantworteten Schnitt, die eine behutsam zwischen den Klosterbildern und modernen Sehgewohnheiten vermittelnde Ästhetik schafft. Das der Film so verblüffend frisch wirkt, dass sich die Bilder nie anzubiedern scheinen, ohne ins experimentelle Ungefähr abzugleiten, ist wesentlich diese Ästhetik geschuldet. Und das lässt manch platte Botschaft des Drehbuchs vergessen.“

taz 01.11.2002

„Kiffen im Kloster – Die Novizin

Von Silke Burmester

Nonnen im Fernsehen – das lässt an Pinguin gewordene Gutmenschen denken, die von Witta Pohl verkörpert werden. Tatsächlich kommt auch ‚Die Novizin‘ nicht ohne die Bilder aus, die wir Unwissenden uns von den Klosterschwestern machen: Die ‚gute‘ Nonne, die strenge Äbtissin und die intriganten Schwestern. Dennoch schildert ‚Die Novizin‘ weniger das Klosterleben der Frauen Gottes, als vielmehr den tragischen Konflikt einer Studentin, die ihre Berufung erahnt.
Mona ist das, was die Allegra-Leserin träumt zu sein: von einer Art zufälliger, natürlicher Schönheit gestreift. Die keine Neider weckt, Männern keine Angst macht und doch ein Selbstbewusstsein heranwachsen lässt, Ziele ohne Zweifel zu verfolgen. Nur der ironische Umgang mit ihrem eigenen Jurastudium lässt erahnen, was es für sie heißt Tochter zu sein. Als Mona (überzeugend: Katharin Kühnel) nach einem Schadensfall einen Gutachter ins Kloster Engelbach begleitet, wird sie mit einer Welt konfrontiert, die sie magisch anzuziehen beginnt. In Schallgeschwindigkeit wird sie mit inneren Fragen konfrontiert, deren Existenz sie in ihrem geordneten, konfessionslosen Leben bis dahin kaum kannte.
Der Regisseur Anno Saul hat mit diesem Film einen Konflikt aufgegriffen, den viele Menschen erleben: Das bisherige Leben loslassen zu müssen, ohne die Zuversicht zu haben, dem Neuen gewachsen zu sein. Lediglich der christliche Glaube und das Nonnendasein als herausforderndes Element für die moderne Frau sind ungewöhnlich. Und so ist es auch das größte Manko des Films, dass der Zuschauer nicht erfährt, was die junge Frau so fasziniert, was ihre Leere ausfüllt – zumal man sie weder bei exzessiver Bibelstudie erlebt, noch das karge Nonnenleben wirklich dargestellt wird. Monas Aufenthalt dort, bleibt ein Ausflug. In einer Art Ferienlager für Masochistinnen, die versuchen, sich das Leben mit Gras und Musik ein wenig schön zu machen, wenn gerade keiner guckt.
Die schönen Bilder sind störend. Anstrengend. Und doch zusammen mit der Schnitttechnik der beste Garant zu verhindern, dass die ‚Dornenvögel‘-Zutaten auf die Witta-Pohl-Ebene abrutschen.“

Frankfurter Rundschau 01.11.2002

„Vom quirligen Getriebe zwischen Frankfurter Anwaltskanzleien und Sushi-Bars in die Abgeschiedenheit eines Klosters im Taunus führt der Weg dieser modernen jungen Frau – ein nicht gerade alltäglicher Stoff für einen Fernsehfilm. Drehbuchautorin Akiko Hitomi und Regisseur Anno Saul erzählen weniger die Geschichte einer Glaubensfindung als einer Neuorientierung, von einem Versuch, sich vorherrschenden und nicht zuletzt medial aufgebauschten, materialistisch orientierten Werten zu entziehen. Man könnte dies bei entsprechender Erwartungshaltung in einen Vorwurf ummünzen: Von religiöser Erziehung, göttlicher Berufung und dergleichen ist hier kaum die Rede. Dafür gelang ein kurzweiliger, zuweilen humorvoller, von katholischen Religionskitsch und weihevollen Pomp absehender Film mit stimmigen Zeitbezug, der auch abtrünnige bestens unterhält.“

Stuttgarter Zeitung 16.12.2002

Von Rainer Braun

„Wie eine junge durchaus moderne Frau ihr seelisches Gleichgewicht wiederfinden möchte, erzählt ‚Die Novizin‘, fraglos einer der bemerkenswertesten Fernsehfilme dieses Jahres. Ohne in billige Klischees inner- und außerhalb des Klosters zu verfallen, nähern sich Anno Saul (Regie) und Akiko Hitomi (Drehbuch) der durchaus diffizilen Frage, wie Menschen ihre stille Sehnsucht nach Spiritualität in der materialistisch orientierten Gesellschaft unserer Tage stillen können. Die filmische Antwort darauf fällt hier durchweg überzeugend aus, weil sich zu poetisch-stimmigen und ausdruckskräftigen Bildern ein glaubwürdiges Figuren-Tableau und eine erzählerisch gelungene Geschichte gesellt. Das Ergebnis lässt sich in der Novizin auch deshalb ansehen, weil an der Seite der Hauptdarstellerin Kathrin Kühnel auch die Nebenrollen exzellent besetzt worden.
Entstanden ist so ein anrührendes Melodram und behutsames Plädoyer für Toleranz und frei gewähltes Bekenntnis zur Religiosität, dass auch dramturgisch kaum Wünsche offen lässt …“

TV Spielfilm 16.12.2002

„Keine Angst vor Tracht und Gelübte: In frischen Bildern und Dialogen zeichnet Anno Saul (Regie) und Akiko Hitomi (Drehbuch) das spannende Porträt eines Menschen auf der Suche nach Orientierung. TIP DES TAGES Pfiff und Frische statt Frömmelei.“

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Zur Zeit zu zweit

Spiegel 30.06.2003

„Die Beziehungskomödie aus den späten neunziger Jahren bündelt nahezu alle bittersüßen Leiden jener vorwiegend mit sich selbst beschäftigten Spaßgesellschaft, die heute schon Teil der Kulturgeschichte ist: Die Emanzipation der Frau zwischen Kind und Karriere, die Verwerfungen zwischen Sex und Liebe, die Wirren der urbanen Single-Existenz, die sich allenfalls noch in eine irrlichternde Patchwork-Familie integrieren lässt. Als die in New York lebende Magazin-Journalistin Vanessa (Natalia Wörner) ihren Romeo (Felix Eitner) kennen lernt, der ihr bei einem nächtlichen Überfall zu Hilfe kommt, ist alles noch in bester Ordnung. Man verliebt sich, joggt im Central Park und gibt sich rasch das Jawort. Zurück in Hamburg entpuppt sich Romeo als Hans, der Spießer – jedenfalls in den Augen von Vanessa, die zur Stellvertreterin des zynischen Chefredakteurs aufsteigt, der seine Untergebenen schon mal als ‚Stall voller beschissen langweiliger Redakteure‘ abqualifiziert. Obwohl das postmoderne Beziehungschaos inklusive Schwangerschaft und Rückkehr in die Frauen-WG professionell und unterhaltsam inszeniert ist (Regie: Anno Saul), wirkt der Film so, als habe man ihn schon mal irgendwo gesehen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.08.1998

„In jedem Romeo steckt ein Hans – Schicksalswahl: ‚Zur Zeit zu zweit‘

Von Bertram Eisenhauer

Da lebst du nun also in New York. Zum joggen gehst du in den Central Park, der Ausblick von deinem Balkon wäre selbst für Donald Trump schwer bezahlbar, und Woody Allen könnte dein Nachbar sein. Ist er wahrscheinlich auch. Bisweilen schreibst du Artikel für eine Hamburger Illustrierte, aber gängeln lässt du dich vom Chefredakteur nicht. Du nimmst dir das Recht, deinem eigenen Rhythmus zu folgen. Und da du im Ausland bist, noch dazu im komfortabelsten, das man sich vorstellen kann, glaubst du, du hättest eine Auszeit. Das Leben sei weniger ernst. Vor drei Jahren mag das auch noch richtig gewesen sein. Jetzt aber erlebst du das schwierigste Alter, das es gibt. Du bist – ‚um die Dreißig‘.
Natürlich ist Vanessa, die weibliche Hauptfigur aus ‚Zur Zeit zu zweit‘, in ihrer Bedrängnis nicht allein. Wer sich auf den Beginn des dritten Lebensjahrzehnts zubewegt, dessen Perspektiven ändern sich. Der Blick auf Jüngere weckt Ressentiments – wie sollen diese Kretins jemals das Land regieren. Von der Finanzierung meiner Rente ganz zu schweigen? – und Neid - wann durfte ich zum letzten Mal so unbekümmert egozentrisch sein? Die Begegnung mit Älteren nährt den unangenehmen Verdacht, man werde ihnen, so sehr man sich dagegen wehren mag, bald recht ähnlich sein. In wen man sich verliebt bestimmt nicht nur für eine Weile, in wessen Gesicht man beim Aufwachen regelmäßig blickt, sondern ist, wie Helmut Kohl sagen würde, eine Schicksalswahl. Und wie die Partner die Opfer teilen, die ein Kind mit sich bringt, stellt sich, um im Bild zu bleiben, als Richtungsentscheidung dar.
Es ist kein Zufall, dass Anno Saul, Regisseur der ZDF-Produktion ‚Zur Zeit zu zweit‘, die Arte am Freitag zeigte, Jahrgang 1963 ist: er hat die Lebenszeit ‚um die dreißig‘ gerade erst hinter sich gebracht, und da der Pressetext davon schweigt, sei die Spekulation erlaubt, dass es Karina Lübke und Christian Pfannenschmidt, den Autoren des Drehbuchs, ähnlich ergeht. Ihrem Film jedenfalls ist die Ambition anzumerken, die konträren Ansprüche dieses Alters auszuhandeln, selbst wenn ihre Geschichte den Mustern der Beziehungskomödie folgt: In New York verliebt sich die deutsche Journalistin Vanessa in Romeo, der dort seinen Urlaub verbringt; nach einigen so romantisch empfindsamen wie erotisch hitzigen Tagen macht er ihr den Antrag, ihn als seine Frau zurück nach Hamburg zu folgen. Als ihr Chefredakteur sie auch noch bittet, in der Heimatredaktion seine Stellvertreterin zu werden, nimmt sie an: Mann und Posten. Da sind gerade mal fünfzehn Minuten vergangen und der Zuschauer weiß: Das war zu leicht.
Die unvermeidliche Entzauberung des Paares inszeniert Anno Saul, unterstützt von Gero Steffen unternehmungslustiger Kamera und Daniela Wallachs klugem Schnitt, mit ausgeprägtme Verständnis für Tempowechsel. Bald gesteht Romeo einer von Vanessas Freundinnen: eigentlich heiße er Hans: Bei einer Schulaufführung sei er als Romeo vom Balkon gefallen: seither der Spitzname. Auch das Treffen mit den Eltern der zukünftigen Braut beobachten Saul, Lübke und Pfannenschmidt mit feiner Ironie: wie Vanessas Vater sich verlegen vor dem Gespräch drückt, wie ihre Mutter sich über die geteilten Expertise für Porzellan mit dem Schwiegersohn verbündet. Felix Eitner sieht in solchen Szenen aus, wie Jan Josef Liefers aussähe, wenn er wie ‚Romeo‘ Hans – ein braver Optiker wäre, und Natalia Wörner ist das verkörperte Dilemma: Hätte ihre Vanessa früher einem romantischen Fehltritt kaum nachgetrauert, so haben die Gegensätze, die sich zwischen ihr und ihrem Romeo auftun, ein anderes Gewicht – erst recht, als sie schwanger wird. ‚Eigentlich wollen wir doch alle dasselbe: ein Zuhause, Liebe und Familie‘, sagt er zu ihr. Nur dass sie es nicht mehr von ihm will.
Leider will sich beim Zuschauer die Anteilnahme an den Charakteren von ‚Zur Zeit zu zweit‘ nicht immer einstellen. Wohl ist die Komödie über weite Strecken vergnüglich anzusehen: dennoch bleibt ihr Blick, der den unordentlichsten Interieurs noch Stil diktiert und den ein unbarmherzig flotter Soundtrack vorantreibt, ein distanzierter. Ihre Stärke liegt in der Ahnung von der Improvisiertheit der Biographien junger Menschen, die sie vermittelt. Da lebst du nun also in Hamburg. Deinen Rivalen aus dem Büro findest du plötzlich ganz nett, dein Chef macht den Babysitter für dein Kind, dessen Vater ist mit deiner besten Freundin zusammen. Bald bist du – jenseits der Dreißig.“

Süddeutsche Zeitung 31.07.2002

Von Thomas Thieringer

„Es ist, als ob Anno Saul, der mit ‚Alte Liebe, alte Sünde‘ eine schwierige Geschichte sehr spannend inszenierte, in ‚Zur Zeit zu zweit‘ jede klare Erzählhaltung zu vermeiden sucht, um nachhaltig mit den Wirrungen seiner Protagonisten zu verwirren. Das kann aber auch fad sein …“

TV Spielfilm 31.07.1998

„Die Komödie schlägt verstärkt tragikomische Seiten an. Der Film ist nicht klischeefrei, lässt seine Figuren aber um Konflikte kreisen (Kind oder Karriere?), die man bei aller Leichtigkeit ernst nehmen kann. Wunderbar: Natalie Wörners erste Wehe! TIP DES TAGES Die Beziehungskomödie wird erwachsen.“

Stern 31.07.1998

„Die Darsteller verstehen es, die Konflikte der Figuren ernst zu nehmen und doch in lebensnahen Dialogen den Witz herauszukitzeln, der in den typischen Problemen von Menschen um die 30 liegt.“

Berliner Morgenpost 02.02.1998

Von Lorenz Conrad

„Was Anno Saul da mit leichter Hand an Tragikomödie, Beziehungsdrama und Sozialsatire zusammenmixte, war kein schwerverdaulicher, überwürzter Klischee-Braten, sondern ein Dessert, so cremig, zart und bekömmlich wie ein Mousse au Chocolat. Zumal Saul den Zuschauer auf eine falsche Fährte lockte: Hier sind mal wieder Yuppies in ihrer TV-geschönten Designerwelt am Werkeln. Erst verlieben sie sich, dann bekriegen sie sich, und am Schluß wird alles wieder gut. Denkste.
Das Ende war zwar happy, doch die Karten völlig neu gemischt in diesem originellen, hormongesteuerten Schlagabtausch zwischen Männern und Frauen, die der Liebe begegnen wie einem weißen Hai. Nach der Furcht kommt die Faszination, dann die Versuchung und schließlich der Kampf. Auch wenn Felix Eitner als betörender Spießer im Weiberheldengewand den Verlierer spielte, in Sachen Schauspielkunst war er der eindeutige Gewinner.“

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Alte Liebe, alte Sünde

Stern 17.03.1997

„‚Alte Liebe, alte Sünde‘ ist ein ebenso spannender wie bewegender Film, ein Film übers Dableiben und Weggehen, über das Vergessen wie Erinnern, über die Kindheit und das Erwachsenwerden, über die Familie, die man satt hat, und die Heimat, die man einfach nicht los wird …“

Funkkorrespondenz 21.3.1997

Von Christian Hörburger

„Ausgereifte Spitzenklasse … An diesen Fernsehabend wird sich der Zuschauer, zumal der Oft-Seher, noch lange und bestens erinnern … in der einfühlsamen Regie von Anno Saul … Hier entstand eine Kriminalstudie der Spitzenklasse, zu der dem Filmteam nachhaltig zu gratulieren ist. Über die leicht manierierten Zwischentöne von Torsten Breuer (Musik) lässt sich dann ohne Not sogar hinweghören.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.03.1997

Von Michael Allmaier

„Viele Schichten ohne Boden … Leider hat das vielschichtige Stück bei all seinen Schichten den Boden unter den Füßen verloren. Das bedeutungsschwere Drehbuch, der rasante Schnitt, die diffuse Musik, die bestechenden Landschaftsbilder, die ausgefeilte Kameraführung – alles ist eine Spur zu ehrgeizig. Klarheit und Stringenz der Handlung leiden darunter …“

Abendzeitung 19.03.1997

Von Sigird Feuerstein

„Kugeln gleichen Kalibers treffen im ZDF-Fernsehfilm der Woche zwei ‚Sünderinnen‘: die zuvor schwer misshandelte Prostituierte Elli stirbt, für die Maria Magdalena auf dem Altar der Dorfkirche im westfälischen Hülsenbrock wird die Restauratorin Imke (Sophie von Kessel) zur Retterin.
Mit wachem Blick und unbeirrbarer Beharrlichkeit forscht die junge Frau, die einst vor dem gewalttätigen Familienoberhaupt aus diesem Ort geflohen ist, in der auch bei Bier und Schnaps wortkargen Wirtshausrunde, beim undurchsichtigen Bordellbesitzer (Jörg Schüttauf als grobschlächtiger, gehemmter, aber auch sentimentaler Zuhälter mit Zaubertricks) nach den Zusammenhängen. Bis ihre böse Ahnung scheinbar zur Gewissheit wird: Ihr Vater (Michael Hanemann) hat geschossen. Doch die Tatwaffe findet sie versteckt im Bücherregal des sanften Bruders (Paul Herwig).
Unheil in lieblicher Landschaft, in einer verschworenen Gemeinschaft: Die Gebliebenen machen Front gegen die Ausreißerin, die trotz der Anbiederungsversuche Fremde bleibt.
Anno Saul setzte den stimmigen, spannenden und in den Dialogen differenziert geschriebenen Heimatkrimi (Cornelia Filter gab hier ihr Drehbuchdebut) mit scharfen Schnitten und brillanten Lichteffekten (Kamera: Hans Grimmelmann) in Szene. Strahlender Mittelpunkt mit breiter Palette: Sophie von Kessel. Neben ihr verblassten freilich die anderen Figuren – ihre Beweggründe blieben zu sehr im Dunkeln.“

Berliner Zeitung 19.03.1997

Von Thorsten Wahl

„Im ZDF-Thriller jedoch wirkte der Sado-Maso-Keller tatsächlich noch wie eine mittelalterliche Folterkammer und löste echten Schauder aus. Hier wurden keine putzigen Rollenspiele abgehalten, sondern herrscht blutiger Ernst …“

Münchner Merkur 19.3.1997

Von Effi Horn

„Drehbuchautorin Cornelia Filter und Regisseur Anno Saul sind keine Routiniers, sondern Begabungen, die zwar noch lernfähig sind, dafür aber frisch und originell …“

Mitteldeutsche Zeitung 19.3.1997

Von Emmanuel van Stein

„Atmosphärisch dichtes Drama … dieses beeindruckende Fernseh-Drama wird man zweifellos zu den herausragenden deutschen Produktionen des Jahres 1997 rechnen müssen … Mit viel Gespür für atmosphärische Momente inszenierte Regisseur Anno Saul einen zutiefst verstörenden Krimi …“

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Und morgen fängt das Leben an

TV-Movie 16.07.2002

„Endlich, das Abitur ist geschafft! Philipp (Sebastian Münster), Daniel (Johann von Bülow) und ihre Freunde wollen das im Ferienhaus von Phillips Eltern richtig feiern. Aber die Stimmung bleibt nicht lange unbeschwert: Neid, Wut und Zukunftsangst lassen die Aggressionen immer stärker werden – bis ein Streit das Fass zum Überlaufen bringt … Dieser Regisseur hat Fingerspitzengefühl!“

General-Anzeiger 04.03.1997

Von Elzbieta Tittelbach

„‘Und morgen fängt das Leben an‘ ist eines jener Wendepunktdramen, das Sinnliches mit Archetypischem aufs Beste vereint, das seine (Anti-)Helden beim Handeln genauestens beobachtet, statt ihr Verhalten auf Jugenddrama zu trimmen …“

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